Da war noch...

...Bildung für alle

Liebe Leute,

auch in diesem Jahr werden Kinder in die Schule kommen, unter vielen anderen Kevin und Tom, die bei einer befreundeten Familie als Pflegekinder leben. Bei Tom verlief das letzte Kindergartenjahr etwas anders als bei Kevin: Da bei ihm eine geistige Behinderung vermutet wird, durfte er nicht an der Vorschulgruppe teilnehmen. Aber Kevin war dort und lernte unter anderem seinen Namen zu schreiben. Man hatte ihm gesagt, dass man das können muss, wenn man einen Schulranzen und eine Zuckertüte haben möchte.

Die beiden Jungs sind ein Herz und eine Seele und spielen gern miteinander. So auch an dem Tag, an dem ihre Mutter auf dem Sofa saß und ein spannendes Buch las. Sie hörte mit halbem Ohr, wie die beiden sich unterhielten. Es ging ums Schreiben und die Schule und beide waren lange sehr vertieft. Schließlich präsentierte Tom stolz ein Blatt Papier, das von oben bis unten vollgeschrieben war: Tom Tom Tom ... Auf den ungläubigen Blick der Mutter hin erklärte Tom: "Das habe ich geschrieben!". „Aber woher kannst du das?" Darauf der ebenso stolze Kevin: "Das habe ich ihm beigebracht, damit er auch einen Schulranzen und eine Zuckertüte bekommt."

Eine kurze, alltägliche, sehr aufschlussreiche Geschichte! Die Zuschreibung „geistige Behinderung" veranlasst die umgebenden Erwachsenen, Tom auch dieses Stückchen Bildung,(Ich schreibe meinen Namen) vorzuenthalten, oder, wie man oft hört, ihn nicht damit zu belasten. Davon völlig unbeeindruckt verhilft ihm sein Bruder dazu, denn seinen-Namenschreiben-können hat eine große Bedeutung für die beiden, nicht nur wegen Ranzen und Zuckertüte. Es ist auch ein Symbol dafür, dass sie nun gemeinsam dem Kindergartenalter entwachsen und gerüstet sind, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, zu den Schulkindern zu gehören.

Das Lernen lief nicht ohne Anstrengung und Frust ab. Kevin berichtet, dass er seinen Bruder immer wieder ermutigt hat, bis beide schließlich das Erfolgserlebnis auskosten konnten. Die innige Brüderbeziehung der beiden war die stabile Basis dafür. Sichere Zugehörigkeit ist eben eine Vorbedingung für Entwicklung und Leistung - und der Erfolg stärkt die Zugehörigkeit.

Übrigens - und hier bekommt die Geschichte eine tragische Wendung: die Brüder werden wahrscheinlich wegen verschiedener Förderbedarfe in verschiedene Schulen eingeschult. Und als die Mutter sich eine Förderschule anschaute, wurde ihr mitgeteilt, dass die Kinder dort keinen Schulranzen brauchen, und auch Zuckertüten zur Einschulung eher unüblich seien.

Aber Tom kann seinen Namen schreiben.

Herzliche Grüße
Sibylle Blömer-Hausmanns

Quelle: Beltz Juventa I Gemeinsam leben 3/2017

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